Betend Brücken bauen: Christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit
(v.r.:) Rabbiner Prof. Andreas Nachama, Landeskirchenrat Vicco von Bülow, Superintendentin Katrin Göckenjan und Bischof Felix Genn (verdeckt) am Ausgang der Christuskirche.
RECKLINGHAUSEN - In Vertretung von Präses Annette Kurschus erinnerte Landeskirchenrat Vicco von Bülow eingangs an den Paradigmenwechsel im theologischen Verständnis des Verhältnisses zwischen Christen und Juden als „Geschwister im Glauben". Die bleibende Verbundenheit zu Israel sei nicht nur seit 1999 in Artikel 1 der Kirchenordnung festgehalten, sondern spiegle sich auch in der liturgischen und textlichen Neuordnung des Israelsonntags elf Wochen nach Pfingsten, der seit jeher das Verhältnis zwischen Christen und Juden thematisiere. Das Wochenmotto „Angst überwinden – Brücken bauen“ aufnehmend, zitierte er Rabbi Nachman von Bratslav im Sinne des Wunsches für eine gelingende Kontaktaufnahme: „Die ganze Welt ist eine sehr schmale Brücke, und die Hauptsache ist, sich gar nicht zu fürchten.“
Auch wenn es, biblisch gesehen, kein Wort für „Brücke“ gebe, seien Gebete wie Psalm 27 „die biblischen Brücken“, stellte Rabbiner Prof. Andreas Nachama mit Blick auf den diesjährigen Leitspruch fest. Dieser ziele auf den „Abbau der Angst vor Fremden und das Brückenbauen zu ihnen.“ Die Gründer des modernen Europa hätten in diesem Geist und mit dem Blick auf das Ganze gehandelt, bescheinigte Nachama den Genannten. „Angesichts des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden von im wesentlich christlich geprägten Deutschen“ sei die Gründung der ersten Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit vor 69 Jahren und die damit „angestrebte Geschwisterlichkeit zwischen Christen und Juden“ eine Utopie gewesen, die inzwischen langsam und auf vielfältige Weise Wirklichkeit werde.
Erinnerung sei ein „Zurückgehen des Herzens“, begann Bischof Felix Genn seine Predigt mit einem Zitat von Papst Franziskus. Dies könnten die Christen von Israel lernen. Erinnerung sei notwendig für die Zukunft, „weil sie uns an die Wurzeln unseres Glaubens und unserer Kultur führt, und weil sie uns hilft, allen Kräften zu wehren, die eine so unsagbare Schandtat wie die Schoah möglich machten“, bekräftigte Genn. Der Jude Jesus sei für ihn „der exemplarische Israelit“, der aus tiefem Zutrauen zu Gott gelebt und gebetet habe.
Die Erinnerung an das, „was unser Volk und viele andere dem jüdischen Volk im Laufe der sich christlich nennenden Geschichte angetan haben“, sei beschämend, sagte Genn. Umso mehr brauche es eben die Woche der Brüderlichkeit und des „Zusammenwirkens derer, die aus diesem Erbe“ schöpften. „Die Erinnerung an den großen Schatz des jüdischen Glaubens hilft uns, die Zukunft aufzubauen, die zum Segen aller werden kann.“
In ihren Fürbitten dankte Superintendentin Katrin Göckenjan „für diese Stunde der Gemeinschaft“. Sie bat um „den Mut, des Vergangenen zu gedenken“, „voneinander zu lernen“ und „den Geist der Geschwisterlichkeit unter uns wachsen“ zu lassen in der Hoffnung, damit „Brücken der Gerechtigkeit und des Friedens bauen“ zu können - und bettete damit die zuvor genannten Perspektiven in einen weltweiten Horizont. GH