Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

Benutzerspezifische Werkzeuge

Sektionen

Sie sind hier: Startseite / News / Evangelisch mit Leidenschaft

Evangelisch mit Leidenschaft

JUBILÄUM 400 Jahre Westfälische Synode in Unna begangen - – Es hatte etwas von einem schönen Familienfest, die Feierlichkeiten zum 400-jährigen Synodenjubiläum, dass mit einer Art kleinem Kirchentag an der Geburtsstätte in Unna unter dem Motto „Evangelisch mit Leidenschaft“ begangen wurde. Dort wurde im Jahre 1611 der Grundstein für das presbyterial-synodale System gelegt, das bis heu-te Gültigkeit besitzt. Es hat sich bewährt, dieses System des Aufbaus von der Gemeinde aus-gehend bis zur Landeskirche. Es hat sich bewährt, dass Presbyterien und Synoden die Evangelische Kirche leiten. Es hat sich bewährt, dass Hauptamtliche und Ehrenamtliche gemeinsam leiten, wobei die Ehrenamtlichen die Mehrheit haben.

Das fanden auch ca. 600 Personen aus der gesamten westfälischen Kirche, die sich auf den Weg nach Unna gemacht hatten. In seiner Begrüßung unterstrich der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß noch einmal diesen Aufbau. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wies auf die Suche nach Heimat vieler Menschen hin. Hier gelte es als Kirche, achtsam zu sein und zu fragen: „Kommen wir mit unseren Strukturen noch an, wo die Menschen sind.“ Es sei ihr Wunsch, dass diese Struktur die Evangelische Kirche weiter trägt.

Die Bibelarbeit über Psalm 46 hielt der bekannte Hamburger Theologe Dr. Fulbert Steffensky. Er ist bekannt für seine poetischen Sprachbilder und einer der großen Magneten bei den Bibelarbeiten auf Evangelischen Kirchentagen. Nach Auffassung Steffenskys ist die Evangelische Kirche kleiner und schöner geworden. „Wir sollten den alten Zeiten nicht nachweinen. Noch nie war die Kirche so frei wie heute.“ Anlehnend an den Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ hob Steffensky hervor, das die Kirche Zelt ist, nicht Burg. „Die Kargheit des Protestantismus ist ihr Reichtum.“
Titelbild Bilderalbum zum Synodenjubiläum
Eine Hauptrolle spielen für Dr. Steffensky die Kirchenmitglieder. „Ohne Pfarrer könnte die Kirche zur Not auskommen, ohne Mitglieder nicht.“ Er wies darauf hin, dass die Evangelische Kirche keine geweihten Personen und Ämter kenne, wohl aber die Pfarrerinnen und Pfarrer am Sichtbarsten sind. Presbyterinnen und Presbyter sowie die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gemeinde sollten ihnen helfen, geistliche Menschen zu bleiben, dass sie Zeit haben zum Bibelstudium, sich zu vertiefen in die Dokumente des Glaubens und nicht in unsäglichen Aufgaben ersticken. „Man kann nur weitersagen, was man zu lieben gelernt hat.“

Der Theologe warnte vor Mutlosigkeit, Profilsucht, selbstbezogener Frömmigkeit und der ständigen Frage nach Effizienz. Die Kirche sei ein wundervoller Verein, der größere Interessen kenne als die eigenen. Steffensky lud zum Ausprobieren in der Kirche ein.

Danach bestand für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, eins von drei Foren zu besuchen. Im Forum 3 ging es um die Frage, welchen Beitrag die Kirche für die Zukunft der Demokratie leistet. Dazu äußerten sich u.a. Präses Alfred Buß, der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Reinhard Höppner und die Ministerin für Schule und Weiter-bildung und stellvertretende Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Sylvia Löhrmann. Im Forum 2 auf der Bühne am Alten Markt wurden Menschen, die aus dem Rahmen fallen, vorgestellt. Dazu zählten u.a. der Olympiapfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland, Thomas Weber aus Gevelsberg, der Popkantor der Evangelischen Kirche von Westfalen Matthias Nagel oder Ursula Wöhrmann von der Schwesterngemeinschaft in der Vereinten Evangelischen Mission (VEM).

Im Forum 1 ging es um das reformatorische Erbe in der Gegenwart. Im Foyer des Rathauses erläuterte der Stadtdirektor der Stadt Dortmund, Jörg Stüdemann die Chancen und Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kirche. Dabei hob er die enge Zusammenarbeit in den Bereichen Kirche und Kultur, Jugend, Soziales (Diakonie) oder in der Notfallseelsorge hervor. „Das politische Verständnis hat ein prägendes christliches Element“ machte Stüdemann deutlich. Aufgrund seiner eigenen christlichen Biographie sei er davon überzeugt, dass der christliche Glaube immer noch für die meisten Menschen eine feste Konstante im Leben sei. Und diese christliche Ethik müsse durchwirken ins politische Handeln. Allerdings sei die Kirche in einer säkularisierten Stadt-Gesellschaft ein Partner unter anderen.

Prof. Dr. Traugott Jähnichen vom Lehrstuhl für christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum wies auf das schlechte Image von Kirche gerade bei jüngeren Leuten hin: Religion ja, Kirche sei für die meisten ein Problem. Deutlich würde dies auch in der kirchlichen Jugendarbeit. Die Situation spiegele sich in der Zahl der Theologiestudierenden wider. „Da, wo viele Theologiestudierende herkommen, ist die Jugendarbeit ziemlich aktiv“, so die These Jähnichens.

Jähnichen stellte die unterschiede zwischen kirchlicher und moderner Spiritualität dar, wo Menschen sich eine Art Wohlfühl-Religion zusammen stellen. Es fehle das gemeinsame Fragen nach dem richtigen Weg. Problematisch sei auch der Alltag in den Gemeinden. „Wenn Kirche funktioniert, muss ein Event passieren.“ Jähnichen nannte als Beispiel die Evangeli-schen Kirchentage.  „Wir brauchen eine verlässliche Basis“, sagte Traugott Jähnichen und warb dafür, die Events weiter zu entwickeln und für die Arbeit in den Gemeinden nutzbar zu machen. Jähnichen sprach sich für den Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften aus. Dabei sollte der Wahrheitsfrage nicht ausgewichen werden. Dies dürfe jedoch nicht aus- oder abgrenzend geschehen. „Die Wahrheitsfrage tut allen gut, auch dem eigenen Selbstverständnis.“ Insgesamt beschrieb Jähnichen die Lage der Kirche als ernst, aber nicht hoffnungslos.

In der Mittagspause hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Chance, sich auf dem Möglichkeiten-Markt auf dem Alten Markt und dem Kirchplatz vor der Stadtkirche umzusehen. Verschiedene Arbeitsbereiche, Initiativen und Projekte aus der Landeskirche präsentier-ten ein breites Spektrum ihrer Arbeit. Zudem gab es auf der Markt-Bühne Musik und Interviews mit interessanten Gesprächspartnern.

PD Dr. Albrecht Geck und Sup. Peter Burkowski beim Synodenjubiläum in Unna 2011

PD Dr. Albrecht Geck und Superintendent Peter Burkowski

Am Nachmittag konnte man zwischen achtzehn Workshops wählen. Vom Thema Taufe, Glaubenskursen über die presbyterial-synodale Ordnung bis hin zu musikalischen Angeboten gab es ein breit gefächertes Programm. Zur presbyterial-synodalen Ordnung fand ein Workshop statt, in dem PD Dr. Albrecht Geck und Superintendent Peter Burkowski aus dem Kirchenkreis Recklinghausen mitwirkten. Geck gab historische Schlaglichter und stellte das presbyterial-synodale System von der Geschichte bis zur Gegenwart vor. Dr. Conring vom Landeskirchenamt gab der Ordnung und dem Gemeindebegriff noch einen ganz andren Akzent. „Von der Gemeinde her denken, heißt nicht automatisch von der Parochie her denken“, stellte Conring klar und verwies auf den biblischen Gemeindebegriff. Die presbyterial-synodale Ordnung könne man auch mit „evangelisch, kirchlich, auftragsorientiert“ umschreiben.

Superintendent Burkowski wies auf die Möglichkeiten des Presbyteramtes ausgehend von der Wahl bis zu den Aufgaben und Ämtern hin. Bei der Mitarbeit im Presbyterium gehe es nicht um Mitmachen, sondern um die Wahrnehmung von Verantwortung. Burkowski sprach sich für einen Wechsel der Kultur von einer Pastorenkirche zu einer stärkeren Einbindung von verantwortlicher Ehrenamtlichkeit aus. „Wir sollten über die Entflechtung der Ämter nachdenken. Wenn das Ehrenamt an der Spitze klarer wird, wird es auch in der Breite klarer“, sagte der Superintendent und verwies auf Beispiele in der Evangelischen Kirche in Deutschland und anderer Landeskirchen.

Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete ein Abendmahlsgottesdienst in der Stadtkirche, in der Präses Alfred Buß die Predigt hielt.

Text und Fotos: uka