Kreissynode am 18. Juni 2016 im Licht des Wandels in der Region
KIRCHENKREIS Ein Mammutprogramm hatten die Synodalen am Samstag, dem 18. Juni 2016, zu absolvieren: Berichte, Gremienbesetzungen mit Wahlen, Stellungnahmen und Informationen standen auf dem umfangreichen Programm der Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen, an der 102 Stimmberechtigte teilnahmen.
Landrat Cay Süberkrüb sprach in seinem Grußwort gegenwärtige politische Entwicklungen und Problemstellungen an. "Alle wollen Mitte sein", sei das Kennzeichen der Zeit. Zugleich beklagte er die soziale Spaltung in der Gesellschaft: "Die ärmere Hälfte verfügt über nichts", beschrieb Süberkrüb die Vermögensverteilung. Mit Blick auf die Finanzlage der Kreisstädte sagte er: "Unsere Städte im Kreis können kaum von kommunaler Selbstverwaltung träumen".
Der Recklinghäuser Bürgermeister Christoph Tesche bedankte sich bei Haupt- und Ehrenamtlichen in Kirche und Diakonie, "denn es ist ihnen zu verdanken, dass wir die Flüchtlinge in Recklinghausen gut betreuen und unterbringen." Für ihn sei dies ein Beweis, "dass Ehrenamt und Hauptamt gut funktionieren." Aus seiner Sicht stelle sich angesichts laufender gesellschaftlicher Veränderungen die Frage, welche Rolle Kirche in Zukunft einnehmen möchte. Er plädierte dafür, Kirche solle sich der Aufgabe widmen, "Werte zu bewahren und Menschen zurückzugewinnen, die mit tradierten Werten nichts mehr anfangen können."
Auch der Vizepräsident der Evangelischen Landeskirche von Westfalen, Albert Henz, widmete sich den kirchlichen Perspektiven der Region und nahm dabei Erkenntnisse aus der Visitation der Landeskirche auf. Für ihn sei die größte Leistung vom Kirchenkreis aus zu erbringen: "Was wir den Jugendlichen im Kirchenkreis anbieten, ist unterbelichtet!", kritisierte Henz. Die Aufgabe bestünde darin, den Spagat zwischen Finanzen, Mitgliederverlust und Gebäudeschließungen konstruktiv zu bewältigen.
Bericht der Superintendentin
Superintendentin Katrin Göckenjan widmete sich in ihrem Bericht dem Wandel und den Veränderungen im Kirchenkreis:
Wirtschaftliche Strukturen
Der Kreis Recklinghausen sei wie das gesamte Ruhrgebiet "einem schnellen und umfassenden Wandel ausgesetzt". Als Beispiele für den Strukturwandel nannte sie die Schließung der letzten Zeche im Kreis, Auguste Victoria in Marl, die Endes Jahres 2015 mit dem jährlichen Soliaritätsgottesdienst begleitet wurde und die Aufgabe der Karstadtfiliale in Recklinghausen Ende Mai 2016. "Sowohl in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Unternehmungen als auch in Bezug auf die Verlässlichkeit von Arbeitsplätzen bleibt der Strukturwandel eine tiefgreifende Aufgabe", sagte Göckenjan.
Zuwanderung
"Unser Land braucht kräftige Stimmen, die für politische Rahmenbedingungen eintreten, in denen einheimische und zugewanderte, reiche und arme Menschen, Frauen und Männer die demokratische Gesellschaft auf der Grundlage der Menschenrechte und des Grundgesetzes gemeinsam weiterentwickeln können", forderte Göckenjan mit Blick auf die sich verschärfenden Bedingungen von Flüchtlingszuwanderung nach Europa.
In den Unterkünften seien beklagenswerte Äußerungen von Flüchtlingen wahrzunehmen: "Konflikte verschärfen sich, je weniger Perspektiven sich zeigen", sagte Göckenjan. Um so wichtiger und erstaunlicher sei das gelingende, intensive und nachhaltige Engagement verschiedener Akteure, das sich den Schwachen widme und auf die Teilhabe aller ausgerichtet sei: "Menschen in Ortsgemeinden, im Diakonischen Werk im Kirchenkreis und im Gemeindeverband Recklinghausen arbeiten mit vielen anderen Engagierten gut zusammen. Sie geben ein überzeugendes Beispiel dafür, wie 'Nachbarschaft', 'Gemeinde', 'Zusammenleben' ganz neu, im Licht des Evangeliums buchstabiert werden können", beschrieb die Superintendentin.
Die evangelische Kirche in der Region im Wandel
Mit den Mitgliederverlusten im Kirchenkreis ginge die schmerzhafte Entwicklung einher, Gemeindestandorte aufgeben zu müssen. In den Jahren 2010-2015 sei der Bestand an Mitgliedern von 113.530 auf 105.215 gesunken. "Die Menschen am Ort müssen mitgenommen werden durch verständliche Informationen und Möglichkeiten der Beteiligung. Sie brauchen eine Ahnung davon, wo es hingeht, wo sie bleiben und wer sie begleitet", forderte die Superintendentin und warf die Frage auf: "Die Gemeinden sind nah bei den Menschen am Ort. Aber sie haben nicht immer einen (eigenen) Ort in der Nähe. Wie passt das zusammen?". Eine Handreichung für Presbyterien zum Umgang mit der Aufgabe von Standorten sei seitens des Kirchenkreises in Vorbereitung.
Als positive Aufbrüche seien die neuen Gottesdienstformen zu verzeichnen, die im landeskirchlichen Visitationsbericht hervorgehoben worden seien. Haupt- und Ehrenamtliche wüssten sich im Nahbereich des Quartiers gemeinsam zu bewegen, um Gemeinschaft zu stiften und zur Beteiligung einzuladen.
Landeskirchliche Visitation
Eine große Gestaltungsaufgaben stelle sich für den Bereich der kreiskirchlichen Dienste, hebe der Visitationsbericht der Landeskirche hervor. Die Konzeption des Kirchenkreises sei umfangreich ausgestaltet, beruhe jedoch auf einer auslaufenden Finanzierung durch die Landeskirche, die "infolge des allgemeinen Rückgangs der Finanzkraft der EKvW" nicht zu halten sei. Daher habe der Kreissynodalvorstand drei Leitfragen formuliert, die Dienste und Gemeinden stärker vernetzen sollen: "Was brauchen die Menschen in den Gemeinden an Unterstützung für ihren Auftrag? Welche Querschnittsaufgaben dienen allen? Mit welchen Themen und Angeboten werden Zielgruppen außerhalb der Ortsgemeinde erreicht?"
Gegenwärtig werde für den Bereich der Erwachsenenbildung eine gemeinsame Konzeption im Gestaltungsraum mit dem Nachbarkirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten weiterentwickelt. Nach dem Sommer diesen Jahres werde eine Arbeitsgruppe für den Bereich des Schulreferats einen Vorschlag zur Besetzung der Stelle darlegen.
Seelsorge
Am 2. Juli werde der neu mit dem Diakonischen Werk im Kirchenkreis und der Kirchengemeinde gegründete Hospizdienst in Oer-Erkenschwick seine Arbeit aufnehmen. Am 3. September diesen Jahres widme sich der Presbytertag, der Seelsorge durch ehrenamtlich Leitende und seelsorglich Engagierte.
Generationen im Pfarrdienst
Da der Altersdurchschnitt der Pfarrer und Pfarrerinnen im Kirchenkreis bei über 52 Jahren läge, werden weiterhin gezielte Angebote zu Verständigung der Generationen im Pfarramt gemacht. So sei zu hoffen, die Pfarrgenerationen von Studierenden, Aktiven und Ruheständlern in Kontakt zu bringen.
Bericht des Diakoniepfarrers
Nach einem Jahr seiner Tätigkeit als Diakoniepfarrer im Kirchenkreis Recklinghausen berichtete Dr. Dietmar Kehlbreier den Synodalen. Er hob den besonderen Einsatz für Flüchtlinge hervor, der sich durch die Zusammenarbeit zwischen dem Kirchenkreis, dem Diakonischen Werk im Kreis Recklinghausen, dem Diakonischen Werk Recklinghausen und der Altstadtgemeinde entwickelt habe: Im alten Kreiswehrersatzamt in Recklinghausen habe man die Betreuung von 180 Flüchtlingen gemeinsam übernommen. "Im Jahr 2016 sind wir im Jahr der Integration", sagte Dr. Kehlbreier. Die schwierige Aufgabe bestünde nun darin, „die Geflüchteten zu ertüchtigen und zu befähigen, in diesem Land zu leben und zu arbeiten." Flüchtlinge entwickelten sich zu "Hilfesuchende im Allgemeinen". Daher gelte es Konkurrenzen bei der Wahrnehmung von Hilfeangeboten zu vermeiden: Die diakonischen Spitzenverbände hätten von Anfang an klargestellt: "Kein anderer Hilfesuchender darf dadurch weniger Hilfe erfahren, weil andere Menschen neu in unser Land gekommen sind." Eine Unterscheidung nach Nationen käme nicht in Frage: "Es ist die Errungenschaft des 'christlichen Abendlandes', dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind!", formulierte Dr. Kehlbreier.
Dr. Kehlbreier ist Mitglied des Vorstands und gemeinsam mit Christa Stüve der Geschäftsführung im Diakonischen Werk im Kreis Recklinghausen. Mit der Gründung des Diakonischen Werkes Emscher-Lippe wurde ein gemeinsames Dach der Diakonischen Werke in den Kirchenkreisen Recklinghausen und Gladbeck-Bottrop-Dorsten gebildet, unter dem zusammen 3500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beschäftigt sind.
Finanzbericht
Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Pfarrer Burkhard Müller (Herten), konnte in seinem Rückblick auf die Jahre 2012-2016 Positives vermelden. Das letzte Jahr sei aus finanzieller Sicht ein ruhiges Jahr gewesen. Die Kirchensteuer sei in den vier Jahren höher als geplant und zudem höher als im Vorjahr ausgefallen. "Alle Kirchengemeinden haben höhere Kirchensteuereinnahmen bekommen", sagte Müller. Keine Gemeinde habe mit Fehlbeträgen oder Rücklagenentnahmen abschneiden müssen.
"Als Kirchensteuerzuweisung für 2015 hatten wir insgesamt 12.409.000 € erwartet – de facto betrug die Zuweisung 13.515.000 € - ein Plus von 1.106.000 €. Von diesen Mehreinnahmen entfielen auf den Bereich der Kirchengemeinden 851.680 €, für die gemeinsame Kasse im Kirchenkreis bedeutete dies ein Plus an Kirchensteuerzuweisung von 254.488 €", bilanzierte Müller.
Erhöhung der Altersgrenze bei Presbytern und Presbyterinnen
Nach einer Einbringung durch Ulrich Kamien diskutierten die Synodalen über die Frage der Erhöhung der Altersgrenze bei Presbytern und Presbyterinnen. Die Mehrzahl der Synodalen befürwortete, dass zukünftig Presbyter und Presbyterinnen (Gemeindeälteste) über das 75. Lebensjahr hinaus im Amt bleiben können, bis zum Ende ihrer vierjährigen Wahlperiode.
Dienstbezeichnung der Präses der EKvW
Für eine fortgesetzte Diskussion um die Dienstbezeichnung der leitenden Geistlichen der EKvW, Präses Annette Kurschus, der inhaltlichen Ausgestaltung der Leitungsfunktionen und der sonstigen Amtsbezeichnungen in der Landeskirche stimmte die Mehrheit der Synodalen.
Standortzusammenführung der Verwaltung
Die Verwaltungsleiterin Conny Hölig bedankte sich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Kirchenkreises, der Diakonie und der Altstadtgemeinde für den reibungslosen Verlauf der Standortzusammenführung, die im Rahmen der Zusammenlegung der Verwaltung nach Recklinghausen erfolgt sei. So könnten Kosteneinsparungen, Zeiteinsparungen und vereinheitlichte Prozessabläufe gewährleistet werden. Neu im Kreiskirchenamt sei die Abteilung für Bau- und Liegenschaften. Ab 1.7. wird das Kreiskirchenamt mit der Umstellung von der kameralistischen Buchführung auf die Doppik beginnen und ein neues kirchliches Finanzmanagement einführen.
Die Synodalen beriefen die Abgeordneten zur Landesssynode, zahlreicher Ausschüsse des Kirchenkreises und stimmten über die Besetzung des kreiskirchlichen Finanzausschusses ab. Nach zwanzig Jahren trat Pfarrer Ulrich Lammers (Waltrop) vom Amt des Vorsitzenden des Nominierungsausschusses zurück. Superintendentin Göckenjan dankte ihm für sein starkes Engagement in dieser Funktion.
Die folgenden Termine der Kreissynode:
19.11.16
01.07.17
25.11.17
Bilder/Text: hh