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„Nur was ich im Gedächtnis behalte, ist Vergangenheit“

KIRCHENKREIS Eine Studienreise führte in das Baltikum als ehemaliges Zentrum jüdischer Kultur - Den Geist des baltischen Sprichworts „Bedenke was du verlieren kannst, dann wirst du verschmerzen, was du noch nicht erworben hast“ spürten die 48 Teilnehmer der Studienreise „Baltikum als ehemaliges Zentrum jüdischer Kultur“ auf Schritt und Tritt. Die gewonnene Freiheit und Autonomie macht die Bewohner Litauens, Lettlands und Estlands stolz und selbstbewusst. Das Wissen um ihre oft fremdbestimmte Vergangenheit lässt sie bescheiden und umsichtig sein.
„Nur was ich im Gedächtnis behalte, ist Vergangenheit“

Gedenktafel für die aus Recklinghausen deportierten Juden (Foto: Gerda E.H. Koch)

Beeindruckt waren die Teilnehmer der vom Schulreferat, der Gesellschaft für christlich-jüdischen Zusammenarbeit und der GEE (Pädagogische Akademie) in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft NRW veranstalteten Studienreise von der Gastfreundschaft, den aufwändig restaurierten Städten, aber auch negativ von den deutschen Spuren des Nationalsozialismus.
Die Reise führte bis Kiel mit dem Bus, der von dem ehemaligen Schulreferenten Pfarrer Paul Blätgen gesteuert wurde. Dann ging es mit der Fähre vorbei an Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, und der Kurischen Nehrung nach Klaipeda in Litauen. Hier waren das Thomas-Mann-Haus und in Kaunas das IX. Fort, eine Gedenkstätte für Opfer stalinistischer Verfolgung und des nationalsozialistischen Massenmordes, lohnende Ziele. Dabei fiel auf, dass in den Gedenkstätten im Baltikum schwerpunktmäßig Personen hervorgehoben und gewürdigt werden, die andere gerettet haben und so zu (von Israels nationaler Gedenkstätte Yad Vashem anerkannten und ausgezeichneten) „Gerechten unter den Völkern“ wurden.
Wie stark Deutschland mit der Geschichte des Baltikums verwoben ist, machte auch der Besuch eines deutschen Soldatenfriedhofs deutlich, auf dem der Schwiegervater eines Reiseteilnehmers beerdigt ist. In dem eindrucksvollen Dom von Riga nahm die Gruppe an dem deutschsprachigen Gottesdienst teil und kam mit Vertretern der kleinen Gemeinde über die Rolle der Evangelischen Kirche in Lettland ins Gespräch.
Sehr unterschiedlich sprachen die drei Holocaust-Gedenkstätten Salaspils, Rumbula und Bikernieki die Emotionen der Teilnehmer an. Letzte überzeugte in ihrer Schlichtheit. Zahlreiche aufrecht stehende Steine und Granitplatten mit Städtenamen erinnern an die Herkunft der über 25.000 an dieser Stelle ermordeten Juden. „Diese Steine sind ein Schrei der schuldlos Getöteten“, mahnten die im Riga-Komitee zusammengeschlossenen Städte und Gestalter der Gedenkstätte. Nachdenklich blieben die Teilnehmer an den Platten mit der Aufschrift „Recklinghausen“, „Haltern am See“ und „Marl“ stehen. Viele Juden aus unserer Region wurden nach Riga deportiert. In einer Andacht erinnerte das Vorstandsmitglied des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Gerda E.H. Koch, am dortigen Mahnmal an die Leiden der Menschen und die Schuld der Täter. Mit einem gemeinsam gesungenen jüdischen Lied, dessen Text von einer jungen Jüdin im Widerstand stammt und einem Gebet bekundete die Reisegruppe ihren Willen, entschieden gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus aufzustehen.
Hoffnungsvoll war auf der letzten Etappe in Tallinn, der Hauptstadt Estlands, der Besuch einer lebendigen jüdischen Gemeinde mit einer neu gebauten Synagoge und eigener Schule, an der auch viele nicht-jüdische Kinder unterrichtet werden.
Auch weiterhin wird das Schulreferat in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern dem Thema Gedenkkultur und Holocaust-Education Raum geben, gerade auch mit Blick auf die jungen Lehrerinnen und Lehrer. Für den Schulreferenten Holm Schüler ist dabei das Zitat des polnischen Schriftstellers Andrzej Szczypiorski leitend: „Nur was ich im Gedächtnis behalte, ist Vergangenheit – alles andere gibt es nicht mehr.“