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Telefonseelsorge: Um Nähe in sicherer Distanz erleben zu können, braucht es den bewussten Umgang mit Scham

Jedes Seelsorgegespräch - ob am Telefon oder im Internetchat - beginnt mit der Überschreitung der eigenen Schamgrenze. Es kostet auf beiden Seiten Überwindung. Beide Seiten machen sich mit ihrer Öffnung füreinander verletzlich. Für ein gelingendes Seelsorgegespräch ist deshalb ein bewusster Umgang mit dem Thema notwendig.
Telefonseelsorge: Um Nähe in sicherer Distanz erleben zu können, braucht es den bewussten Umgang mit Scham

Das Telefonseelsorgeteam (v. l.) Ursula Funken, Petra Stoltenberg, Heiner Fehlker und Gunhild Vestner

RECKLINGHAUSEN – Jedes Seelsorgegespräch, ob am Telefon oder im Internetchat, beginnt mit der Überschreitung der eigenen Schamgrenze. Es kostet auf beiden Seiten Überwindung. Beide Seiten machen sich mit ihrer Öffnung füreinander verletzlich. Für ein gelingendes Gespräch sei es von daher „notwendig, mit dem Thema Scham bewusst und konstruktiv umzugehen“, sagte Pfarrerin Gunhild Vestner, Leiterin der Telefonseelsorge Recklinghausen. Die Scham sei eine „Wächterin der Menschenwürde“ (Leon Wurmser) und beinhalte wichtige Entwicklungsimpulse.

Auf einer Fachtagung mit Sozialwissenschaftler und Sachbuchautor Dr. Stephan Marks konnten sich 73 ehrenamtliche Telefonseelsorger*innen, unter ihnen Heiner Fehlker, Petra Stoltenberg und Ursula Funken, näher mit diesem wichtigen Thema beschäftigen. Viele problematische Verhaltensweisen, die ihnen in der Praxis begegneten, konnten hier lösungsorientiert reflektiert werden.

„Weil die Scham so schmerzhaft ist, hat der Betroffene den Impuls zur Verdrängung“, erläuterte Stoltenberg die Flucht in typische Reaktionsmuster wie Projektion, Arroganz, Zynismus, falscher Ehrgeiz und Sucht. Diese als „Schamabwehr“ zu begreifen, eröffne neue Möglichkeiten, auf die Gesprächspartner einzugehen und „tiefer zu sehen“, so Stoltenberg.

Viele Anrufende oder Ratsuchende fühlten sich nicht gesehen und wertgeschätzt. Andere hätten die Erfahrung gemacht, dass ihre Grenzen verletzt oder dass sie ausgegrenzt wurden oder man sie zwang, gegen ihr eigenes Gewissen zu handeln. „Wie beim Fahrradfahren“, so Funken oder „wie bei einem Mobile“, so Fehlker, sei es wichtig, zu lernen, das Gleichgewicht zu halten zwischen der Vermeidung überflüssiger Scham und der Ermutigung zu einem bewussten Umgang damit.

Es gebe einen „unendlichen Bedarf“ an geschützter Kommunikation, sagte Stoltenberg, insbesondere beim Chatangebot: die Kontrollmöglichkeit und Anonymität der Anrufenden sei hier viel höher als beim Telefonat, da der Chat mit einem Klick beendet werden könne. „Schreiben geht, sprechen nicht“, brachte Funken das Bedürfnis nach einem geschützten Gesprächsraum, aber zugleich auch nach Schutz vor zu viel Nähe auf den Punkt. „Es wäre wunderbar“, so Vestner, hätte die Telefonseelsorge in diesem rasant wachsenden Feld der Beratung noch mehr digital erfahrene junge Leute, die sich zu einer ehrenamtlichen Ausbildung vor allem im Chatangebot entschließen würden.

Insgesamt gehe es darum, dass die Anrufenden im Gespräch mit dem beziehungsweise der Telefonseelsorger*in eine Form von Kontakt und Beziehung erleben könnten, in der sie gesehen und respektiert und ihre Grenzen geachtet werden, sagte Vestner. „Auf diese Weise kann das Gespräch mit der Telefonseelsorge als ein Ort der Würde erlebt werden“, fasste sie das Ziel der Bemühungen zusammen.

Am 5. November beginnt der neue Ausbildungskurs. Nähere Auskunft dazu geben Gunhild Vestner und ihr Leitungsteam unter der Telefonnummer 02361-27898. Auf der Homepage der Telefonseelsorge www.telefonseelsorge-re.de lassen sich dazu und darüber hinaus viele interessante Detailinformationen finden. GH