Transformation und Reformation
Bericht der Superintendentin
Im Licht der Pfingstwoche beleuchtete Superintendentin Katrin Göckenjan in ihrem ausführlichen Bericht die Ausrichtung der Kirche in ihrem gesellschaftlichen Umfeld: „Die kirchlichen Hauptworte dieser Zeit heißen Transformation, Reformation. Sie zeigen an: Es ändert sich viel in der Gesellschaft, in der Welt. … Bei allem, was Menschen heute verunsichern kann – in der Offenheit liegt zugleich die pfingstliche Verheißung. Die möchte ich gerne stark machen“.
Anhand der landessynodalen Vorlage „Familien heute“ hatte bereits die Sommersynode des Vorjahres die aktuellen Veränderungen im Bereich von Familien aufgegriffen. Nun hätten inzwischen einige Gemeinden intensiv an der Thematik weitergearbeitet: In Oer-Erkenschwick sei „Familienfreundlichkeit“ als eigenständiges Kriterium des Gemeindekonzepts eingeflossen; Herten strebe Pfingsten 2015 ein eigenes Tauffest an und Waltrop ein Projekt für alleinerziehende Mütter. In Datteln werden familiengerechte Angebote seitens der Gemeinde und der Diakonie entwickelt.
Mit einem Zitat des Schriftstellers Navid Kermani zur Flüchtlingspolitik in Deutschland äußerte Göckenjan ihre Kritik an der praktischen Abschaffung des Asylrechts. Im Kirchenkreis habe sich dagegen erfreulicherweise in der Flüchtlingsarbeit „allerorts ein hohes Engagement für die Menschen entwickelt“.
Soziale Verantwortung
Obwohl die kirchlichen Angebote für finanziell benachteiligte Menschen seit langer Zeit selbstverständlich seien, stelle sich weiterhin die Frage: „Wie gelingt kulturelle und religiöse Verständigung über soziale Grenzen hinweg?“, so Göckenjan. Da in der Region zahlreiche Arbeitslose auf dem „ersten Arbeitsmarkt“ auf Dauer keine Stelle fänden, habe der Kirchenkreis - in Anlehnung an den sog. Gelsenkirchener Appell - gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der katholischen Kirche im Kreis den „Vestischer Appell“ unterzeichnet. Der Appell fordert, aus umgewidmeten Mitteln einen öffentlich geförderten „zweiten Arbeitsmarkt“ für Langzeitarbeitslose einzurichten, der nicht in Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt steht. In der Region schlossen sich inzwischen die Stadträte und der Kreis Recklinghausen dem Aufruf an. „Menschen sollen sich nach ihren Fähigkeiten einbringen können“, forderte Göckenjan.
Reformationsdekade und Zukunftskongress der EKD
Dr. Ulrike Preuß (Marl, Bild links) und Synodalassessor Frank Rüter (Oer-Erkenschwick) mit Werner Bartels (Herten) vorn (Bild rechts)
Das Reformationsjubiläum sei ein „Anlass, über die Gesellschaft nachzudenken, über ihr Menschenbild und dabei Maß zu nehmen am Menschenbild der Reformation“, wie Verfassungsrichter Udo di Fabio kürzlich auf einem Kongress der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sinngemäß formulierte, berichtete Göckenjan und warf die Frage auf: „Wie legen wir heute das Feuer der Begeisterung und der Beteiligung?“. Dr. Ulrike Preuß (Marl) und der stellvertretende Superintendent Pfarrer Frank Rüter (Oer-Erkenschwick) erläuterten den Synodalen Kongressbeiträge, die zu dieser Fragestellung produktive Vorschläge machten. Dennoch sei zu berücksichtigen, das die laufenden strukturellen Veränderungen in dem Gemeinden, dem Kirchkreis und den diakonischen Werken in Zukunft unter den Bedingungen sinkender Finanzeinnahmen und kontinuierlicher Mitgliederverluste stattfänden, so ein Zwischenfazit zum EKD-Kongress.
Demografietagung
Im Gefolge einer kürzlich mit dem Nachbarkirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten durchgeführten Tagung zu den Folgen des demografischen Wandels in der Region diskutierten die Synodalen in Arbeitsgruppen Fragen zur resonanzkräftigen Weiterarbeit, zum Beispiel, wie die religiöse Sozialisation durch kirchliche Bildungsangebote gestärkt werden könne, welche Angebote den Auftrag der Kirche attraktiv machen können, welche Prioritäten zu setzen seien. Pfarrer Dr. Hans Hubbertz (Recklinghausen/Industrie- und Sozialarbeit/Öffentlichkeitsarbeit) referierte dazu statistisch aufbereitete Ansätze zur Angebotsentwicklung im Kirchenkreis und Kernthesen aus der Demografietagung. Auf einer kommenden Pfarrkonferenz und einem Presbytertag im kommenden Herbst soll gemeinsam mit dem Nachbarkirchenkreis die Problemstellung weiter bearbeitet werden.
Flüchtlingsarbeit
Welche Aktivitäten sich im Bereich der Flüchtlingsarbeit im Kirchenkreis abzeichnen, erläuterte Pfarrerin Silke Niemeyer (Recklinghausen) den Synodalen. In vielen Gemeinden seien inzwischen viele Initiativen auf die Beine gestellt worden. Mitte Dezember des letzten Jahres sei der Initiativkreises Asyl im Kirchenkreis gegründet worden. Dieser zielt darauf ab, professionelle Betreuung sowie Deutschkurse für die Flüchtlinge anzubieten und womöglich deren Wohnsituation zu verbessern. Ehrenamtliche Arbeit soll professionell begleitet werden. Ein regelmäßiger monatlicher Schulungsabend mit einer fachkundigen Rechtsanwältin soll dazu dienen, Fragen aus Alltagsarbeit zu beantworten. Zur Wirklichkeit der Flüchtlinge gehöre nach wie vor ein „riesiges Beratungsdefizit“, die Unterkünfte seien zumeist in einem schlechten Zustand, zeitweise fehlen Sprachkurse. Die Vergabe von Lebensmittelgutscheinen in Städten im Kreis sei weiterhin problematisch und diskriminierend. Die Landeskirche hat für die Flüchtlingsarbeit Sondermittel bereitgestellt, die einmalig projektbezogen abgerufen werden können.
Finanzbericht
Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Pfarrer Günter Johnsdorf (Haltern), konnte für das vergangene Jahr erfreulicherweise erhöhte Kirchensteuereingänge vermelden, die um 3,85 Prozent höher als im Vorjahr lagen. Daher sei zur Deckung der laufenden Haushaltskosten keine Rücklagenentnahme notwendig gewesen. Ebenso habe sich das das kreiskirchliche Stiftungsvermögen von „ernten und säen“ positiv entwickelt. Dies wuchs auf 1,11 Mio. Euro.
Das Kirchensteueraufkommen im laufenden Jahr sei bisher um 6,2 Prozent gestiegen. Dieser Zuwachs sei trotz der weiterhin vergleichsweise hohen Austrittszahlen zu verzeichnen. Daher befände man sich in einer „absurden Situation: Wir haben weiter steigende Kirchensteuern bei gleichzeitig ansteigendem Rückgang der Gemeindegliederzahlen. Die mittel- und langfristige Perspektive bleibt negativ“, sagte Johnsdorf.
Fracking
Hans-Jürgen Hörner (Recklinghausen/Umweltarbeit) informierte die Synodalen über den gegenwärtigen Stand zur umstrittenen Fracking-Problematik, der Grundwasser gefährdenden Gasgewinnung aus tieferen Gesteinsschichten, die auch im Gebiet des Kirchenkreises geplant wurde. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium sei zu hören, „wirtschaftliche und Umweltschutzinteressen seien in einem Abwägungsprozess zu bringen“. Die Kreissynode bekräftigte dem gegenüber bei einer Gegenstimme erneut ihre Ablehnung dieser riskanten Technologie.
Text: hh/Bilder: uka
Ev. Kirchenkreis Recklinghausen, 02361/206-109, hans.hubbertz@kk-ekvw.de, 16.6.14