Trotz hoher Belastungen gesund bleiben
Stellten die Ergebnisse der Fachtagung zur Burnout-Prophylaxe vor: (v.l.) Sabine Schmidt-Jünemann, Wolfgang Kuhn, Pfarrerin Gunhild Vestner und Dr. Werner Greulich.
KIRCHENKREIS – Die Belastungen der Menschen nehmen zu. Weniger Menschen müssen mehr Arbeit leisten. Stress ist zu einer Volkskrankheit geworden. Acht von zehn Deutschen empfinden ihr Leben als stressig, heißt es in einer 2009 veröffentlichen Studie der Techniker-Krankenkasse. Jeder Dritte steht nach eigenen Angabe unter Dauerstrom, bei jedem Fünften mit gesundheitlichen Folgen. Besonders hoch sei die Belastung im sozialen Bereich. Aber es betrifft nicht nur Menschen dort oder in anderen Berufen, auch die Belastungen in der Schule, im privaten Umfeld und in der ehrenamtlichen Tätigkeit können ihren Teil dazu beitragen. Oft erwischt es die Besten und Engagierten. Denn: „Nur wer einmal gebrannt hat, kann ausbrennen“, lautet die These deutsch-amerikanischen Psychoanalytikers Herbert. J. Freudenberger.
Menschen in allen Arbeitsfeldern können unter Burnout leiden und benötigen gezielte Hilfe. Grund genug, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge Recklinghausen sich auf einer Fachtagung Anfang Juli mit dem Thema Burnout und seinen Folgen zu beschäftigen. Der Psychologe Prof. Dr. Jörg Fengler von der Universität Köln erarbeitete mit 73 ehrenamtlichen Telefonseelsorgerinnen und -seelsorgern sehr konkret Optionen der Burnout-Prophylaxe. Untersucht wurden persönliche Prägungen und Überzeugungen, die Gestaltung des Privatlebens, die Arbeit mit der Zielgruppe, die Arbeit im Team, der Kontakt mit der Leitung, der Einfluss der Institution und die gesellschaftlichen Faktoren.
Die Tagung diente einerseits dem Aspekt der Mitarbeiter-Fürsorge, aber auch der Fortbildung für die Arbeit am Telefon und im Chat. Denn die Zahl derer, die sich aufgrund von starken Belastungen bei der Telefonseelsorge melden, nimmt ständig zu. „Denn nur wenn es mir gut geht, kann ich auch gut vermitteln“, ist Wolfgang Kuhn, seit 1993 als ehrenamtlicher Berater in der Telefon- und Chatseelsorge tätig, überzeugt.
Angetan war Sabine Schmidt-Jünemann, seit 1992 ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Telefon- und Chatseelsorge, von dem hohen Fachwissen des Referenten. „Wir konnten viel mitnehmen“, sagt sie. Bei der Beschäftigung mit dem Thema stellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch die Frage, warum sie noch nicht an Burnout leiden. „Das liegt an der guten Mitarbeiterpflege in der Telefonseelsorge“, waren sich die Beteiligten einig. „Es wird dafür gesorgt, dass ich mich wohl fühle“, beschreibt Sabine Schmidt-Jünemann das angenehme Umfeld der ehrenamtlichen Tätigkeit. Es gibt Supervision, Weiterbildung, Entlastung und auch für eine gute Arbeitsatmosphäre ist gesorgt, die Voraussetzung für eine gute Arbeit ist. „Die Wertschätzung des einzelnen spielt bei uns eine große Rolle“, macht der stellvertretende Leiter der Telefonseelsorge Recklinghausen, Dr. Werner Greulich deutlich.
Gerade Menschen mit hohen Belastungen sollten sich die Frage stellen, was ihnen gut tut und: Wie komme ich an meine Quellen und Ressourcen. „Selbst an Tagen, die einem wie ein Berg vorkommen, sollte ich versuchen, etwas Positives zu entdecken. Dabei können Kleinigkeiten zu einem Perspektivwechsel führen, der für Entspannung sorgt“, beschreibt Sabine Schmidt-Jünemann ihre Erfahrungen. „Das Wochenende hat uns bewusster gemacht, wie wir uns verhalten können“, äußert Wolfgang Kuhn. „Gerade wenn es stressig wird, brauche ich verlässliche Punkte, die für Ruhephasen sorgen.“ Dazu können der gegenseitige Austausch, aber auch Bewegung und Hobbys zählen.
„Ich benötige also nicht nur Engagement für andere, sondern auch für mich selbst. Hier stehen wir vor einem großen gesellschaftlichen Problem“, erläutert Pfarrerin Gunhild Vestner, Leiterin der Telefonseelsorge Recklinghausen. „Es mangelt an der Fürsorge für die Mitarbeitenden.“ Aber mangelnde Fürsorge kann schnell auch ein volkswirtschaftliches Problem werden.
Drei Faktoren wurden auf der Fachtagung zur Vorbeugung von Burnout genannt:
die Sinnhaftigkeit dessen, was ich mache; das Verstehen der Zusammenhänge und das Gestalten können. „Die Arbeit in der Telefonseelsorge hat für die Mitarbeitenden einen hohen Stellenwert und gibt ihnen Sinnhaftigkeit“, ist sich Gunhild Vestner sicher. Das geschieht vor allen Dingen auch durch die Solidarität in der Gruppe, die sich gegenseitig stützt und beflügelt. „Die Menschen bei uns sind hoch engagiert auch in anderen Kontexten von Arbeit, Kirche etc.“, so Vestner.
„Wir haben jetzt auf jeden Fall mehr im Werkzeugkasten für unsere Arbeit“, resümiert Wolfgang Kuhn nach Abschluss der Fachtagung, der sich in seiner Arbeit in der Telefonseelsorge als Schatzsucher versteht, der Verschüttetes wieder freizulegen versucht.
Es ging humorvoll zu bei der Fachtagung. Und Lachen ist eine gute Burnout-Prophylaxe, sind sich alle Beteiligten einig.
Bild/Text: uka