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Die Region wird ärmer, älter, bunter… - Welches Profil wird die Evangelische Kirche in der Region mittelfristig haben?

RECKLINGHAUSEN Die evangelischen Kirchenkreise Gladbeck-Bottrop-Dorsten und Recklinghausen tagten kürzlich zum demografischen Wandel im Umspannwerk Recklinghausen. Die Konsequenzen des tiefgreifenden demografischen Wandels treffen die beide Kirchenkreise bereits heute:
Die Region wird ärmer, älter, bunter… - Welches Profil wird die Evangelische Kirche in der Region mittelfristig haben?

Die Teilnehmenden der Tagung im Umspannwerk Recklinghausen.

Der Anteil der jüngeren Bevölkerung schwindet, gleichzeitig erhöht sich derjenige der Älteren. 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den beiden Nachbarkirchenkreisen, Leitungsverantwortliche aus den Gemeinden und beiden diakonischen Werken, Presbyterinnen und Presbyter, aber auch an haupt- und ehrenamtliche kirchliche Mitarbeitende waren zu einer regionalen Planungstagung ins Umspannwerk gekommen. Für die Tagungsbesucher stand die Frage zur Debatte, wie beide Kirchenkreise unter den sich wandelnden Bedingungen zukünftig ihren Auftrag wahrnehmen könnten. Die Besucher erwarteten drei Fachvorträge zur demografischen Entwicklung, zur sozialen Lage in den Städten der Kirchenkreise und zur Bedeutung der Milieus in der Kirche sowie vier thematische Arbeitsgruppen.

Gründe des Demographischen Wandels im KKRE 2012: Alterung; Grafik Herman Henke, Regierungsbez. Münster

Abb.: Hermann Henke, Regierungsbezirk Münster

Anhand von Schaubildern und Statistiken beschrieb zum Einstieg der Referent Hermann Henke vom Regierungsbezirk Münster pointiert die laufende Entwicklung: „Wir werden weniger, älter und bunter“. Diese drei Trends stünden für den langfristigen Rückgang der Bevölkerungszahlen, die zunehmende Alterung der Gesellschaft und mehr Menschen mit Migrationshintergrund.

Gründe des demographischen Wandels im KKRE 2012 bis 2030: Grafik Herman Henke, Regierungsbez. Münster

Abb.: Hermann Henke, Regierungsbezirk Münster

Die unumkehrbaren demografischen Verschiebungen zugunsten der Älteren beeinflussen die Möglichkeiten und Einschränkungen der kirchlichen Arbeit in Zukunft immer stärker. Die Mitgliederzahlen der evangelischen Kirche werden weiter zurückgehen - und damit auch die Finanzmittel in Form von Kirchensteuern. Auf der Folie dieser laufenden Entwicklungen diente die Tagung dazu, den Blick auf die verschiedenen Alters- und Einkommensgruppen zu richten und z.B. Fragen zu deren aktiver Beteiligung und Einbeziehung sowie Spendenbereitschaft auszuloten.

Erwarteter Altersaufbau im KKRE bis 2030: Grafik Herman Henke, Regierungsbez. Münster

Abb.: Hermann Henke, Regierungsbezirk Münster

Aus dem Blickwinkel der diakonischen Arbeit bringt der demografische Wandel nicht nur neue Kundengruppen, sondern wird absehbar zu Problemen bei der Personalbeschaffung führen.

Sebastian Kurtenbach vom ZEFIR (Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung, Universität Bochum) schilderte in seinem Vortrag den sozialen Wandel der Lebenslagen im nördlichen Ruhrgebiet. Im Ruhrgebiet wiesen einige Stadtbezirke besonders hohe Quoten von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe auf. Hiervon seien insbesondere die Bezirke mit hohen Anteilen von Nicht-Deutschen betroffen, die auf dem Arbeitsmarkt starke „Vermittlungshemmnisse“ besäßen.  Der Kreis Recklinghausen sei insgesamt „eher armutsgeprägt“. Dem entsprechend verzeichne man hohe Arbeitslosenraten und ebensolche Anteile an Langzeitarbeitslosen. Vom Armutsrisiko seien zugleich größere Familienhaushalte sowie Alleinerziehende betroffen. Die Armut „nimmt zu, verfestigt sich kleinräumig und wird vererbt“, fasste Kurtenbach die soziale Lage der Städte im Gestaltungsraum X zusammen. 

Am Beispiel von positiven Erfahrungen aus einer evangelischen Kirchengemeinde in Gelsenkirchen-Hassel ermunterte Kurtenbach die Zuhörerschaft weiterhin, „Kirche für andere“ zu sein, sich bei Aktivitäten bedarfs-  und nicht konfessionsorientiert am Stadtteil auszurichten sowie offen und partizipativ zu arbeiten.

Die Frage, warum kirchliche Veranstaltungsangebote oft nur bestimmte Gruppen ansprechen, andere dagegen gar nicht, stand u.a. im Fokus des Vortrags von Petra-Angela Ahrens vom Hannoveraner Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD (SI). Anhand von einander abgrenzbarer Milieus aufgrund einer großen empirischen Untersuchung zeigte sie plastisch auf, welche gesellschaftlichen Gruppen gemeinsame Orientierung prägten, z.B. hinsichtlich von Musik und Kultur.

Lebensorientierung und Musikvorlieben & Teilnahme am kirchl. Gemeindeleben: Grafik: Petra-Angela Ahrens, SI der EKD am 24.5.2014

Abb.: Petra-Angela Ahrens, Sozialwiss. Institut der EKD, Hannover

Dazu gab bereits der Tagungsort des Museums im Umspannwerk zahlreiche Anreize, wenn manch eine/r die Geschichte des Inventars seiner Wohnungseinrichtung wiedererkennen konnte. Sich die eigenen Vorlieben und Abneigungen bewusst  zu  machen, so Petra-Angela Ahrens, gehöre zu den elementaren Erkenntnisschritten, wenn man auf verschiedene kirchliche Milieus mit passenden Angeboten zugehen wolle. Überraschend zeige sich dennoch in dem Untersuchungsergebnissen, dass in erster Linie das Interesse an kirchlich-religiösen Themen darüber entscheide, ob jemand am kirchlichen Leben teilnehme, nicht die Zugehörigkeit zu bestimmten Milieus. Bildung, Geschlecht und Alter gäben weit mehr den Ausschlag für das Gewicht kirchlicher Beteiligung, weniger der jeweilige Lebensstil. Bei der Untersuchung verschiedener kirchlicher Veranstaltungsangebote sei sichtbar geworden, dass durchaus neue, eher modern, nicht-traditionalistisch ausgerichtete Zielgruppen erreichbar seien, die bislang zumeist kaum im kirchlichen Raum anzutreffen waren. Dabei hätten Angebote zu bestimmten Musikvorlieben vor allem ihr Publikum gefunden. Insgesamt sei jedoch erkennbar, dass überwiegend gut bis höher gebildete Bevölkerungsgruppen erreicht werden könnten.

In den anschließenden Arbeitsgruppenergebnissen zur Weiterarbeit ergab sich für die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein klares Votum. Das Gros sprach sich unverkennbar dafür aus, die religiöse bzw. christliche Orientierung insbesondere bei Kindern und Familien vermehrt zu fördern. Ebenso wurde das Interesse formuliert, eigene Angebote kritisch zu überprüfen, die Ziele des Handelns zu präzisieren und Erfolgskriterien zu entwickeln. 

Auf der kommenden Kreissynode im Evangelischen Kirchenkreis Recklinghausen am 14.6.14 soll dieser Faden aufgegriffen werden. (Bericht zur Kreissynode: Transformation und Reformation)

 

  • Presbytertag mit Materialien zu Projektvorstellungen am 7.2.2015 in Marl (Link zur Materialseite)
     
  • Tagungsmaterialien zur Auftakttagung im Umspannwerk am 23./24.5.2014

Die Tagungsmaterialien setzen sich aus den Vortragfolien und den Anfangseinbringungen zusammen:

Text: hh/Bild: uka

Tagungsbericht, Demografie, Demographie, Demographietagung, Tagungsdokumentation